Das Franco-Allemand zu Gast in der Pfalz – in der deutschen Stadt mit der längsten französischen Geschichte: Einen passenderen Ort als Landau hätte es für das Intergenerationellen Forum (IF) 2024 kaum geben können. Die sechste Auflage der Veranstaltung seit 2016 stand unter dem Motto „Demokratie leben – und gemeinsam unsere Zukunft gestalten“. Ein Thema mit besonderer Brisanz, nicht zuletzt nach den Europawahlen, den französischen Législatives sowie den Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr. Über drei Tage hinweg begrüßten wir beim IF insgesamt 27 Teilnehmende von beiden Seiten des Rheins aus allen Altersgruppen. Das Programm bot dabei eine bunte Mischung aus Workshops zur Demokratieförderung, zu den politischen Systemen beider Länder und einem sprachlich-kulturellen Rahmenprogramm. Die Veranstaltung fand vollständig zweisprachig statt und wurde vom Organisationsteam übersetzt. In vielen Fällen übersetzten sich unsere Gäste sogar selbst und unterstrichen damit einmal mehr die Bedeutung des gegenseitigen Spracherwerbs.
Zu Gast in der französischen Enklave
Zu Beginn des Forums standen Grußwörter auf dem Programm. Lena Dürphold unterstrich als Erste Beigeordnete der Stadt Landau die Bedeutung des Tagungsortes. Im Jahr 1688 baute der französischen Festungsbaumeister Vauban aus der damals mittelalterlichen Stadt eine moderne Festung. Landau existierte fortan als französische Enklave bis ins Jahr 1816 und war damit länger Französisch als jede andere Stadt in Deutschland. Ein passender Rahmen nicht nur für das Intergenerationelle Forum, sondern auch den Jahreskongress der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa e.V. (VDFG) und der Fédération des Acteurs Franco-Allemandes pour l’Europe (FAFA), an welchem die Teilnehmenden im Anschluss an das IF teilnahmen. Mit einem kurzen Grußwort stimmte uns Jochen Hake, Präsident der VDFG, auf den anstehenden Kongress ein. Komplettiert wurde das Grußwort-Trio von Prof. Dr. Maximilian Mehdorn, dessen Familie Mehdorn Stiftung bereits seit vielen Jahren aktiver Teil der deutsch-französischen Gemeinschaft ist und auch unser Event dankenswerterweise finanziell unterstützte. Nach einer kurzen Kaffeepause begrüßten wir bei einem ersten inhaltlichen Block des Forums Benjamin Kurc, Leiter des Deutsch-Französischen Bürgerfonds, zu einem Austausch über das Franco-Allemand. Der 2019 aus dem Aachener Vertrag heraus entstanden Fonds entwickelte sich in den vergangenen fünf Jahren zu einem unumgänglichen Akteur der Zivilgesellschaft beider Länder.
Über den Zustand der Demokratie in Deutschland und Frankreich
In vielen Wortbeiträgen bestand bereits zu Beginn des Forums Einigkeit darin, dass unsere Demokratie durch aktuelle populistische Tendenzen in Gefahr ist und es auch die Rolle der zivilgesellschaftlichen Akteure ist, diese vor ihren Feinden zu schützen. Doch was bedeutet Demokratie überhaupt für uns? Hierzu erläuterte uns in einem ersten Workshop die Referentin Kira Renée Kurz, Politikwissenschaftlerin an der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg und der Université de Strasbourg, die Unterschiede der Regierungssysteme beider Länder: das semi-präsidentielle Modell aus Frankreich sowie das parlamentarische System aus Deutschland. Anschließend stellten wir uns die Frage nach demokratischen Werten und tauschten uns in Kleingruppen über Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Transparenz und Partizipation aus.
Auf einen eher theoretischen ersten Tag folgte am zweiten die konkrete Projektentwicklung. Der dreiteilige Workshop „Effektiver Umgang mit Demokratiefeindlichkeit“ streckte sich hierbei über den ganzen Tag und zielte darauf ab, konkrete Projektideen zu entwickeln und diese den Teilnehmenden zur weiteren Ausarbeitung in ihren lokalen Deutsch-Französischen Gesellschaften und anderen Vereinen zu übergeben. Birgit Schmölz vom Frank-Loeb-Institut der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau startete ihren Input mit einer Krisendiagnostik. Ihrer Ansicht nach kommt Demokratiefeindlichkeit vor allem dadurch zum Ausdruck, dass Bürger*innen nicht mehr für eine Partei oder ein Programm wählen, sondern nur noch eine ablehende Haltung gegen etwas zum Ausdruck bringen. Sobald demokratische Werte – über die wir nicht zuletzt auch deshalb am ersten Tag gesprochen haben – in einer Gesellschaft nicht auf Konsens stoßen und eine bewusste Abgrenzung von ihnen stattfindet, ist das Einfallstor für Demokratiefeinde geöffnet. Ein entscheidender Ansatz, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist Bürgerbeteiligung, welche auch außerhalb von Wahlen eine aktive Teilhabe am politischen Betrieb ermöglicht. Das Partizipationsrepertoire hierfür ist vielfältig und reicht von Protestformen über Beteiligung in Parteien bis hin zu Bürgerräten. Die Ausgestaltung eines letzteren stand im Fokus des anschließenden Planspiels, bei der wir die Klimaresilienz einer fiktiven deutschen oder französischen Kommune erhöhen sollten. Auch wenn solche Instrumente keine demokratische Legitimation haben und dadurch keine verbindlichen Entscheidungen treffen können, sind sie dennoch ein Baustein zur Demokratieförderung. Vorausgesetzt, die Politik setzt sich im Anschluss offen mit den Ergebnissen auseinander.
Konkrete Projektideen für die Vereinsarbeit
Die Ausarbeitung konkreter Projektideen für die Vereinsarbeit erfolgte anschließend für drei Themenbereiche: Politik, Kultur und Sport. Im Bereich der Politik lag ein Fokus auf einem Ausbau von Jugendgemeinderäten und möglichen binationalen Kooperationen zwischen Partnerstädten. Ein weiterer Ansatz war das Schaffen eines verstärkten Austausches unterschiedlicher Generationen, geografischer Räume und sozioökonomischer Hintergründe. Gerade jungen Menschen soll dadurch vermittelt werden, dass Politik uns alle im Alltag betrifft. Die Kulturgruppe setzte auf eine Fotoausstellung über Demokratie zwischen Partnerstädten. Eine deutsche Gruppe solle dazu die französische Ausstellung vorbereiten und umgekehrt, stets im Austausch mit der anderen Seite. Auch die Möglichkeit, die Ausstellung in Form eines Stadtrundgangs über die gesamte Stadt zu verteilen und dadurch Demokratie mit Stadtgeschichte und Sightseeing zu verbinden, wurde angeregt. Nicht zuletzt könnte man auch eine Abstimmung über die zwölf populärsten Bilder starten, welche im Anschluss in Form eines Kalenders für das Folgejahr festgehalten werden. Eine spannende Idee kam ebenfalls aus der Sportgruppe. Klare Regeln und die Kontrolle der Einhaltung dieser durch einen Schiedsrichter sind meist Hauptmerkmale von sportlichen Wettkämpfen. Doch was, wenn wir einen eigenen Sport neu erschaffen würden? Mit unseren eigenen Regeln, entstanden aus einer gemeinsamen Diskussion und regelmäßig an auftretende Probleme angepasst? Wechselnde Rollen, bei der selbst Trainer und Schiedsrichter während eines Spiels die Rollen tauschen, um den gegenseitigen Respekt zu erhöhen? Ein demokratischer Sport eben. Wir hoffen sehr, dass einige der Projektideen im Nachgang des IF in den Vereinen unserer Teilnehmenden weiterverfolgt werden.
Von Sprachanimationen bis Stadtführung: Ein vielfältiges Rahmenprogramm
Das Intergenerationelle Forum lebt immer auch, sein Name verrät es, von einem generationenübergreifenden und interkulturellen Austausch. Hierzu wurden die Arbeitsphasen der Workshops durch lockere Momente begleitet. Zum Beispiel bei unseren täglichen Sprachanimationen, welche stets für einen regen zweisprachigen Austausch zwischen den Teilnehmenden sorgten. Gleich am ersten Abend lernten wir unseren Tagungsort bei einer abendlichen, zweisprachigen Stadtführung durch Landau kennen. Eine Spurensuche nach der französischen Vergangenheit Landaus, in die uns Frau Dürphold am Nachmittag bereits eingeführte hatte. Vorbei ging es bei der Führung auch am Frank-Loebsches Haus, das ehemalige Wohnhaus von Anne Franks Urgroßvaters und heute ein Museum über jüdisches Leben in Landau und das der Sinti und Roma in der Pfalz. Der Besuch des Museums und der bewegenden Ausstellung markierte am Freitagvormittag den Abschluss des Intergenerationellen Forums.
Nach dem Forum ist vor dem Kongress
Doch mit dem Ende des IF war unsere Zeit in Landau noch nicht vorbei. Am Freitag, 4. Oktober, starteten wir nachmittags in den 68. VDFG-FAFA-Kongress. Der Besuch der zweitägigen Veranstaltung unter dem Motto „Zivilgesellschaft. Engagiert. Grenzenlos.“ war für die IF-Teilnehmenden verpflichtend und zugleich die Möglichkeit, die Ergebnisse des Forums einem größeren Publikum vorzustellen. Unter dem Titel „Gelebte Demokratie – Gemeinsam die Zukunft gestalten“ leitete der geschäftsführende Vorstand des DFJA am Samstagvormittag einen Workshop an. Die IF-Teilnehmenden, welche zahlreich am Workshop teilnahmen, fungierten hierbei als Expert*innen und teilten die erarbeiteten Resultate mit den anderen Kongressteilnehmenden. Nach einem einführenden Austausch über den Zustand unserer Demokratie ging es erneut in eine Gruppenarbeitsphase zur Erarbeitung von Projektideen. Die Schwerpunkte reichten diesmal von Bildung über Sport bis hin zu Kunst & Kultur – und führten erneut zu spannenden Ideen: Fußballturniere zwischen Partnerstädten mit gemischten Teams, eine moderne Version der West Side Story als deutsch-französisches Projekt, Kinderparlamente mit Mentoring oder gar Videos im TikTok-Style, um damit auf die Gefahren für die Demokratie, die von Apps wie TikTok ausgehen, hinzuweisen. Auch der Vorschlag eines demokratischen Sportes fand erneut den Weg in den Workshop.
Der intergenerationelle Ansatz ist ein Schwerpunkt der Arbeit des DFJA. Ein besonderes Highlight war der an den Workshop anschließende Austausch mit einem Kongressteilnehmer, der anfangs skeptisch war, ob des Formats mit „jung und alt“. Doch die anfängliche Skepsis konnten wir im Laufe der 90 Minuten durch Begeisterung ersetzen und damit einmal mehr zeigen, dass im generationenübergreifenden Austausch noch viele Hemmungen abzubauen sind. Der Jahreskongress von VDFG und FAFA bat eine Vielzahl von Ateliers, Podiumsdiskussionen und Exkursionen. Eine kleine Gruppe führte es bis auf den Weincampus nach Neustadt an der Weinstraße, samt Weinprobe und einem spannenden Vortrag über deutsch-französische Weine und Kooperationen bei Önologie-Studiengängen. Bevor sich das Event am Sonntag dem Ende neigte, fand am Samstag mit dem Kultur- und Begegnungsabend die große Abendveranstaltung statt. Wir danken der VDFG für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Vorfeld des Kongresses.
Forum und Kongress: ein doppelter Erfolg
Nach fünf aufschlussreichen Tagen war unsere Zeit in Landau nun aber wirklich vorbei. Das Intergenerationelle Forum ließ die Gefahren, mit welchen sich unsere Demokratien in Deutschland und Frankreich konfrontiert sehen, deutlich werden. Gemeinsam versuchten wir uns dessen bewusst zu werden – und in einem zweiten Schritt unserer Verantwortung gerecht zu werden, als zivilgesellschaftliche Akteure gegen diese Entwicklung einzustehen. Unsere erarbeiteten Projektideen, sowohl beim Forum als auch beim Kongress, können hierfür nur ein Anfang sein. Wir hoffen schon bald das ein oder andere Projekt in den lokalen Deutsch-Französischen Gesellschaften und Vereinen in der Umsetzung zu sehen. Der DFJA steht hierfür natürlich unterstützend bereit. Wir freuen uns, dass einige IF-Teilnehmende unserem Verein als Neumitglieder auch über Landau hinaus erhalten bleiben werden. Und wie passend, dass unser 200. Mitglied Gert Dieter selbst in Landau dabei war.
Erneut möchten wir uns in diesem Rahmen nochmals bei unseren Förderern für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und ihre finanzielle Unterstützung bedanken, ohne die dieses Event nicht möglich gewesen wäre. Danke an den Deutsch-Französischen Bürgerfonds, das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz, die Familie Mehdorn Stiftung, die Deutsch-Französischen Kulturstiftung und die Josef-David-Stiftung.
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